Wanderschäferei und Biodiversität

Seit jeher war der Mensch ein Schäfer. Nicht nur das Fleisch und der Rohstoff Wolle waren zu gewinnen, ganz nebenbei, galt es auch immer die Landschaft zu pflegen.

Aber heute scheint die Wanderschäferei viel mehr, ein romantisiertes Überbleibsel einer von industriellem Wachstum überholten Gesellschaft zu sein. Aber das sollte sie nicht sein!

Gerade heute, in Zeiten des Insektensterbens und des Klimawandels, ist die Schäferei wichtiger als je zuvor! Wanderschäferei vernetzt räumlich voneinander getrennte Biotope. Schafe transportieren in ihrem Fell und mit dem Kot Samen und Insekten von A nach B und leisten damit einen wichtigen Beitrag zur Biodiversität.

Man plant Radwege die keiner braucht und versiegelt damit Flächen die jeder braucht. Indem man behauptet für die eine Straße, die man zum Radweg macht eine neue bauen zu müssen. Für den Schwerlastverkehr, denn der kann ja nicht über die alte Straße rollen. Man macht dies unter dem Deckmantel des Klimaschutzes aber baut doch einfach noch mehr Straße für noch mehr Verkehr. Wäre es nicht in diesem Zusammenhang sinnvoller Schafstraßen zu planen und dafür zu sorgen, dass die letzten Wanderschäfer die wir noch haben, nicht entmutigt und desillusioniert ihr traditionsreiches Handwerk niederlegen, sondern dass wieder mehr Menschen anfangen mit der Wanderschäferei? Um der Biodoversität und somit um der Menschheit Willen?

Wanderschäfer Reinhard Kramer ist ein solcher Vertreter, dieser so selten gewordenen Zunft. Viele Jahre bewandert er mit seinen Schafen bereits die schwäbische Alb.
Einmal wurde Reinhard Kramers Hund Luchs, am Sonderbucher Flugplatz schwer von einem vorbeischießenden Auto erwischt. Das Auto sah aus als wäre es gegen einen Baum gefahren, der Hund war nur noch ein einziger geschwollener Bollen, so Kramer. Das rechte Auge herausgedrückt, der Kiefer zerschmettert. Reinhard Kramer hatte ihn eigentlich schon aufgegeben. Doch ein Wunder, der Hund überlebte den schweren Unfall. Kramer war sehr an dem Hund gelegen. Ein Jahr lang musste er ihn mit Astronautennahrung füttern.


Die Sache ging damals vor Gericht. Kramer bekam die Hauptschuld an dem Unfall zugesprochen. Obwohl der Fahrer zugab 100 km/h gefahren zu sein, und in der engen Kurve das Tempo nicht limitierte. Der Polizist, der den Unfall damals aufnahm, bestätigte das Recht des Fahrers 100 km/h fahren zu dürfen. Jedoch vergaßen er und der Fahrer wohl, dass man das Tempo auch den jeweiligen Sichtverhältnissen anzupassen hat!


Seitdem die Beschlussvorlage des Kreistages zur Prüfung einer neuen Straße hier über die Albhöhe öffentlich wurde sind bereits viele Veränderungen in der hiesigen Verkehrsführung getroffen worden. So zum Beispiel die Sperrung der Sonderbucher Steige für den Schwerlastverkehr und die Umleitung des ÖPNV über die Hessenhöfe. Nun ist genau an dieser Stelle ein Schild mit Tempo 30 zu finden. Würde es dem Schäfer Reinhard Kramer also zu Gute kommen, wenn hier eine neue Kreisstraße entstünde? Nein, so Kramer, denn dann sei es noch schwerer mit den Schafen durchzukommen und nach der Straße, das habe er schon oft gesehen in seinen vielen Jahren mit den Schafen unterwegs, daure es nicht mehr lange, dann käme das Industriegebiet. Und für seine Schafe wäre noch weniger Platz zum Weiden und Durchziehen.

„I gae weida!“ ruft er und winkt mir zum Gruß. Die Schafe treibt er den Grot (Grund) hinunter, und ist jetzt in Gerhausen.

Reinhard Kramer und Yvonne Bohnacker:

„Die Leute Wissen doch gar nicht mehr wo das Leben ist.“

„Die Leute haben schon Sehnsucht nach der Natur.“

„Die Sehnsucht ist groß. Die ist schon da.“

„Aber die Leute sind so weit weg von der Natur wie nie zuvor.“

„Die sehen bloß noch das Supermarktregal.“

Ein Kommentar

  1. Das ist ein eingehender, situationsbeschreibender und gut formulierter Bericht den wir voll unterstützen können. Der unsinnige Raubbau an der Natur ist sehr bedenklich. Unsere derzeitige Unwetterlage ist das Resultat!